Darf ich die Frage des Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderung auch in einem bestehenden Arbeitsverhältnis wahrheitswidrig verneinen? – Leserfrage Blickpunkt Potsdam

Geschrieben in Arbeitsrecht,Leserfragen von Thomas Ewert 28.04.2012

Artikel_28_04_12Darf ich die Frage des Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderung auch in einem bestehenden Arbeitsverhältnis wahrheitswidrig verneinen?

In der letzten Leserfrage habe ich darauf hingewiesen, dass unter bestimmten Umständen im Bewerbungsgespräch Fragen des Arbeitsgebers auch wahrheitswidrig beantwortet werden dürfen. Hier hatte ich als Beispiel die Frage nach einer Schwerbehinderung genannt, soweit diese in keinem Zusammenhang mit der geschuldeten Arbeitsleistung steht. Wie verhält es sich jedoch in einem bestehenden Arbeitsverhältnis? Hier hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 16.02.2012 eine wichtige Entscheidung getroffen und hierüber in einer Pressemitteilung informiert. Nach Ansicht des Gerichts darf die Frage des Arbeitsgebers nach einer Schwerbehinderung bzw. nach einer Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten in einem mindestens sechs Monate bestehenden Arbeitsverhältnis nicht wahrheitswidrig beantwortet werden. Die Richter sehen den Unterschied darin, dass der Arbeitnehmer nach sechs Monaten bereits den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX erlangt habe und damit nur nach Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden dürfe. Der Arbeitgeber habe ein Interesse daran zu erfahren, gerade wenn z.B. betriebsbedingte Kündigungen geplant sind, bei welchen Arbeitnehmern eine Schwerbehinderung vorliegt, die bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen ist und bei der vor Ausspruch der Kündigung zunächst die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden muss. Nach Ansicht der Richter soll es dem Arbeitgeber durch die Frage nach einer Schwerbehinderung ermöglicht werden, sich rechtstreu zu verhalten. Weitere Informationen zum Arbeitsrecht: www.kanzlei-ewert.de; Der Autor ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein.